Die Quartiere
Die Kirschblüten-Gemeinschaft lebt integriert in die ländliche Gemeinde Lüsslingen-Nennigkofen im Bezirk Bucheggberg des Kantons Solothurn.
Das knapp 1100-Seelen-Dorf liegt nahe der Aare am Jura-Südfuss. Die Menschen, die sich ab 1995 vermehrt auf das Gemeinschaftsleben einlassen wollten,
fanden hier magischerweise jeweils einen Platz, um sich niederzulassen. Auf diese Weise wuchsen über die Jahre über das ganze Dorf verteilt mehrere
Kirschblütenquartiere: Die Rebe als erstes Gemeinschaftsquartier, der Ärdbeerihoger, das Dorfstrassenquartier, das Bauernhausquartier, die Gross- und Sternenmatt, der Mühlegarten und
als jüngstes und kleinstes Quartier der Gemeinschaftshof Rössli. Zudem gibt es ein paar Gemeinschafts-Ausläufer in der näheren Umgebung – etwa das Jugendhaus, das etwas abseits der anderen
Quartiere an der Aare liegt, das Häuschen eines befreundeten Ehepaars in der Stadt und eine Waldresidenz hinter den Hügeln.
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Manche Menschen wählen ihre Zugehörigkeit zu einem bestimmten Quartier explizit aus, z.B. entsprechend ihrer Freundschaften und Beziehungen. Häufig ergibt
es sich aber organisch, wo jemand seinen Platz findet und sich ganz einlässt auf die materielle Struktur und das Zusammenleben. Obwohl sich viele von uns über
Jahre oder Jahrzehnte fest an einem Ort niederlassen, ist das Wohnen in der Kirschblüten-Gemeinschaft den Bewegungen des Lebens anpasst. Alleinstehende tun
sich beispielweise in Wohngemeinschaften zusammen, in ehemals prallgefüllte Familienhäuser werden nach dem Erwachsenwerden und Ausziehen der Kinder Neuzuzügler
oder nachkommende junge Familien aufgenommen und sich immer wieder neu bildende Mehrfachkonstellationen schliessen ihre Wohnsituationen zusammen. Es hat sich
gezeigt, dass wir auch hier ins Leben vertrauen können: Es führt zusammen, was zusammengehört und zeigt jedem, wo er am richtigen Platz ist. Manchmal ergibt
sich das so, wie man es sich wünscht, manchmal scheint es den eigenen Vorstellungen zuerst zu widersprechen und es braucht eine Weile, bis man die Stimmigkeit
in einer natürlichen Ordnung erkennt.
Die Gemeinschaft hat mittlerweile eine Grösse erreicht, die es uns nicht mehr erlaubt, zu allen Zugehörigen eine intensive individuelle Beziehung zu
pflegen. Wir kümmern uns u.a. an monatlichen Gemeinschaftsabenden und halbjährlichen Gemeinschaftstagen um die Gesamtstimmung; konkreter Austausch und eine
grössere Alltagsverbundenheit pflegen wir in den kleineren Quartierskreisen.
Die Rebe
Das Rebequartier ist die Wiege der Kirschblüten-Gemeinschaft.
Samuel und Danièle Widmer Nicolet leb(t)en hier seit 1991 in einem Einfamilienhaus mit ihren beiden ersten Kindern, die 1992 und 1993 geboren wurden. Die ursprünglichen Nachbarn in der Strasse
waren an Freundschaften und einem näheren Austausch wie gemeinsamer Kinderbetreuung und Mittagstischen nicht interessiert. Erst als Samuel und Danièle in ihren Gruppen und Seminaren immer wieder
betonten, dass aus ernsthafter Selbsterkenntnis doch natürlicherweise ein gemeinschaftliches Zusammenleben erwachsen müsse und dass sie leidenschaftlich an der Erforschung neuer Lebensformen
interessiert seien, zogen Menschen aus der ganzen Schweiz und aus Deutschland in die Rebe. Wie durch ein Wunder wurden unmittelbare Nachbarhäuser oder naheliegendes Bauland frei. Ab 1995 wuchs
die Gemeinschaft rasch zu sieben Häusern mit ca. 20 Kindern und 20 Erwachsenen an. Nachdem anfänglich einfach das Bedürfnis da war, anders, näher und freier zusammenzuleben, kam 1998 die
Erkenntnis: Wir sind nun wohl eine Gemeinschaft!
Geprägt ist unser Zusammensein durch das Erforschen der Frage, welche Art von Leben und Zusammenleben zu unverbrüchlicher Freundschaft, zu Glück und Frieden führt. Gemeinsames Betreuen der
Kinder, gemeinsames (oder abwechselndes) Kochen, tantrische Experimente, gemeinsame Ferien und natürlich das Verbundensein über unser Interesse an Selbsterkenntnis, Psycholyse, Tantra, Meditation,
Landwirtschaft usw. halten uns im Konkreten zusammen. Wir leben in offenen Häusern und Gärten und treffen uns nebst den monatlichen Treffen in der Gesamtgemeinschaft einmal alle zwei Monate im
Quartier, um uns über alles auszutauschen, was uns beschäftigt und interessiert. Daneben gestaltet jeder seine Beziehungen selbst und übernimmt die Verantwortung für Bedürfnisse und Notwendigkeiten.
Der stabile Kern der Rebe-Bewohner ist sehr gross, am Rande gibt es seltene Fluktuationen von oder in andere Quartiere, was meist mit Neubauten oder Partnerwechsel zu tun hat. Elternpaare, die sich
getrennt haben, blieben im Quartier – der Kinder wegen oder weil sie es sowieso als ihr Zuhause erleben. Die meisten Rebianer leben seit 15 bis 25 Jahren im Quartier.
Als der Platz in den zwei kleinen Sackgassen, die die untere und obere Rebe bilden, ausgeschöpft war, entstanden im Dorf neue Kirschblütenquartiere, zum Teil sogar angrenzend
an die Rebe, zum Teil ein paar hundert Meter weiter. Die ältesten sechs Rebekinder sind (zum Teil schon vor Jahren) ausgezogen und haben sich im Rössli- und Sternenmattquartier ihr
eigenes Zuhause geschaffen und begonnen, ihre eigenen Familien zu gründen.
Das Bauernhausquartier
Das Bauernhausquartier liegt im Ortskern von
Lüsslingen in der Dorfstrasse. Es entstand im Jahr 1998 als Samuel und Danièle Widmer Nicolet auf das alte Bauernhaus aufmerksam gemacht wurden
und für sie sofort klar war, dass das ihr künftiges Praxis- und Seminarhaus würde. Das 1750 erbaute Bauernhaus war in einem sehr verfallenen Zustand,
weshalb für beide augenscheinlich war, dass der Umbau ein grosses Projekt sein würde, welches sie alleine nicht stemmen können. So kam es, dass zwei weitere
Personen in das Umbauprojekt miteingestiegen sind. Neben den Seminar- und Praxisräumen von Samuel und Danièle wurden zwei Eigentumswohnungen im Haus realisiert.
Ursprünglich war angedacht, das Bauernhaus und den Garten als gemeinsamen Besitz zu kaufen. Die Banken haben jedoch nicht mitgemacht – gemeinsamer
Besitz unter Freunden ist bei ihnen nicht vorgesehen. Daher wurde das Bauernhaus in Stockwerkeigentum aufgeteilt.
Ende 1998 war das grosse Umbauprojekt abgeschlossen und der erste Anlass fand anfangs 1999 statt. Der Seminarbetrieb folgte etwas später. Schnell explodierte das Geschäft, die
Seminargruppen wurden immer grösser, alles war im Fluss und am Blühen. Im Jahr 2001 wurde von weiteren Gemeinschaftsleuten direkt hinter dem Bauernhaus ein
Doppelhaus gebaut. Nach einigen Jahren zogen aufgrund von Schwangerschaft und Trennungen die ersten beiden Wohnungsbesitzer aus dem Bauernhaus aus, und Samuel
und Danièle kauften die beiden Wohnungen auf. Auch im Doppelhaus hinter dem Bauernhaus gab es diverse Besitzer- und Mieterwechsel. Und Hans, ein Miterbauer des
Doppelhauses, ist 2012 verstorben.
Eine Zeitlang wurde in einem Hausteil eine Kindergruppe für Gemeinschaftskinder angeboten. In den ersten Jahren wurden im Sommer
jeweils alle Nachbarn rund um das Bauernhausquartier für ein gemeinsames Essen in den Garten eingeladen. Der 1.8 Hektar grosse Garten – früher eine Obstbaumwiese,
eine sogenannte Hoschtett –, der das Bauernhaus und das dahinterstehende Doppelhaus verbindet, wurde inzwischen in den gemeinschaftlichen Besitz der beiden Häuser
überführt.
In der Mitte des Gartens steht ein ehemaliges
Bienenhäuschen. Es gehörte einer Nachbarin und wurde in einem Stück aus ihrem Garten in den
Bauernhausgarten transferiert.
Im Bauerhausquartier finden sich andere Strukturen als in den übrigen Quartieren der Gemeinschaft. Uns halten natürlich dieselben Themen zusammen wie die ganze
Gemeinschaft, z.B. eine gemeinsame Ausrichtung oder Tantra. Wir machen aber keine regelmässigen Quartierstreffen. Wir treffen und begegnen uns vor allem auch über
das gemeinsame Pflegen des grossen, inzwischen wunderschönen Rosengartens. Ausserdem ist das Leben im Quartier stark geprägt vom nach wie vor blühenden Seminar-
und Praxisbetrieb.
Der Ärdbeerihoger
Das Quartier Ärdbeerihoger (Erdbeerhügel) entstand zwischen 2004 und 2007. Ein Architekt kaufte das langgezogene Landstück im Nordwesten Nennigkofens im Auftrag von fünf
Familien einem Unternehmen aus dem Dorf ab. Später kamen noch zwei Häuser am unteren Riembergweg dazu. Heute leben etwa zwanzig Erwachsene und fast so viele Kinder und Jugendliche im
Quartier. Diese Zahl variiert, weil die meisten Häuser eine Einliegerwohnung haben. Es kommen und gehen immer wieder Menschen, was für viel Lebendigkeit sorgt und verhindert, dass wir
uns im Gewohnten und Sicheren einrichten.
Den ganz ein- und niedergelassenen Kern bilden Männer und Frauen, die langjährige stabile Beziehungen und Freundschaften verbinden. An einem monatlichen Treffen am Abend widmen wir uns verschiedenen
Themen, die uns beschäftigen, abwechselnd im Rahmen eines Austausches und des Tantra, das wir als sehr hilfreich erleben, um unsere Beziehungen zu vertiefen. Neben praktischen Dingen
wie Parkplätzen oder Kinderbetreuung beschäftigt uns zum Beispiel die Frage des Heiratens auf tantrischer Ebene als Gruppe. Wollen wir uns in der Tiefe ganz und gar aufeinander einlassen, unserem
Schicksal, das wir zusammen haben, willig folgen? Wer ist dazu bereit und was braucht es dafür? Diese Fragen beschäftigen uns. Schon die Auseinandersetzungen darum bringen uns einander näher.
Mehr als zehn Jahre lang verbrachten wir die Pfingstwochenenden gemeinsam in einem Gruppenhaus irgendwo in der Schweiz. Mittlerweile bleiben wir aber zu Hause, nehmen uns Zeit füreinander, pflegen,
verbinden und verschönern unsere Gärten. Was uns auszeichnet, ist ein lebendiges und ehrliches Miteinander. Wir feiern häufig unser Zusammensein und geniessen eine fröhliche und innige Verbundenheit,
in der jeder, so wie er ist, Platz hat.
Die Gross- und Sternenmatt
Das Sternenmattquartier befindet sich im nordöstlichen Teil
von Lüsslingen, nahe der Aare, und umfasst knapp 30 Erwachsene sowie etwa 20 Kinder und Jugendliche der Kirschblüten-Gemeinschaft. Es entstand 2006, als die fünf ökologisch nachhaltig gebauten
Holzhäuser der neu entstandenen «Sternenmatt»-Siedlung bezogen wurden. Die gemeinsame Überbauung mit Gemeinschaftsplatz und ineinander übergehenden Gärten war von Anfang an auf ein gemeinsames
Leben in der Kirschblüten-Gemeinschaft ausgerichtet. Die damaligen Bausitzungen entwickelten sich zu Quartierstreffen. Im benachbarten Grossmattblock lebten mittlerweile auch einige
Gemeinschaftsmitglieder, welche eines Tages den Wunsch äusserten, auch zu diesen Treffen dazuzukommen. Später zählte sich dann auch die Jugend-WG des weiter entfernten Römerweges hinzu und heute
gehören alle, die im Umkreis der Sternenmatt leben und sich zur Gemeinschaft zugehörig fühlen, zu diesem Quartier. So ist das Sternenmattquartier ein grosses Quartier mit vielen verschiedenen
Menschen, darunter auch vielen Kindern, Jugendlichen und Rentnern. Die Lebensformen reichen vom Alleinstehenden, über Paare und Familien bis hin zu Mehrfachkonstellationen,
welche teils in
Eigentumshäusern, teils in Mietwohnungen oder zur Untermiete leben.
Das Sternenmattquartier hat einerseits einen relativ stabilen Kern, aber v.a. durch den «Übergangscharakter» einiger Grossmatt-Wohnungen kommt es auch häufig
zu Umzügen. Viele Menschen, die in die Gemeinschaft kommen, können zuerst einmal in der Grossmatt ein vorübergehendes Zuhause finden, um dann mit der Zeit einen
anderen Platz zu finden, an dem sie sich noch mehr einlassen können. Andere warten auch seit einiger Zeit darauf, im Mühlegarten bauen zu können. Wieder andere
verlassen die Gemeinschaft nach einer Weile und ziehen weiter. Unter uns gibt es wohl die höchste Dichte an Psychiatern und Therapeuten in der
Kirschblüten-Gemeinschaft. Ausserdem sind wir ernsthafte Krieger, leidenschaftliche Tantriker und Musiker, Rosen- und Gemüseliebhaber, Astrologen, Präsidenten,
Tierhalter, Lebenszauberer und vieles mehr...
Das Dorfstrassenquartier
Mit einem bunt
zusammengewürfelten Trupp von Leuten, die sich nur flüchtig kannten, haben wir im März 2009 den Kaufvertrag für ein mehr als 200 Jahre
altes Bauernhaus mit Stöckli und etwa 3000 Quadratmeter Land unterschrieben und noch am gleichen Tag eine Hochzeit im Tenn gefeiert. Eine
Schicksalsgemeinschaft war besiegelt und damit das fünfte Quartier der Kirschblüten-Gemeinschaft ins Leben gerufen.
Wir lernten uns gleich zu Beginn durch herausfordernde Themen wie Geld, Besitz und Teilen kennen. Die Banken unterstützten unser Projekt nur eingeschränkt
und so kam es zu einigen Auseinandersetzungen, bei denen wir zwei Mitglieder unserer Seilschaft bereits
wieder verloren. Das Vorhaben stand aber offensichtlich unter einem guten Stern und Freunde nahmen den frei gewordenen Platz ein. Zunächst renovierten
und bezogen wir das Bauernhaus und das Stöckli. In den zwei darauffolgenden Jahren entstanden zwei Holzhäuser auf dem Land und im Zentrum ein gemeinsamer
Garten. Im Laufe der Jahre haben sich Menschen dem Quartier angeschlossen, sind in Häuser drumherum gezogen und haben die Hausgemeinschaften erweitert.
Mittlerweile zählen rund 15 Erwachsene und 9 Kinder zum Dorfstrassenquartier.
Inzwischen haben sich tiefe Freundschaften und Zugehörigkeiten zueinander entwickelt über das gemeinsame Leben als Eltern und Nachbarn, durch Liebesgeschichten,
Geburten, Mittagstische, gemeinsame Aktivitäten und Ferien, durch die gemeinsame Verantwortung für unseren Garten und weil es uns einfach ein Anliegen ist,
zueinander zu schauen und glücklich und zufrieden zu leben. Die Psycholyse und die tantrische Arbeit mit verschiedenen Beziehungsexperimenten haben uns zu
einer verlässlichen Gemeinschaft gemacht, die sich füreinander verantwortlich fühlt. Nicht alle gleich, aber doch alle so, wie sie es vermögen. Wir können
uns mittlerweile mit unseren Stärken und Schwächen recht gut sein lassen. Wenn wir im vollen Alltag immer wieder die Aufmerksamkeit füreinander und somit
das innige Bezogensein verlieren, lassen uns das gemeinsame Dranbleiben als tantrische Lebensgemeinschaft, das Eingebettetsein in die Kirschblüten-Gemeinschaft und die Selbsterkenntnis immer wieder liebevoll zusammenfinden.
Das Mühlegartenquartier
Vom Gemeinschaftshof Rössli erstreckt sich
unser Gemeinschaftsgarten über das Dach der ehemaligen Curlinghalle, verbindet sich mit dem Umschwung des angrenzenden hundertjährigen Hauses und mündet über eine grosse Wiese in unser
Feld mit Permakultur, Gemüsebeeten, Obstbäumen, Beerenstauden und lauschigen Sitzplätzen. Dieses Areal nennen wir das Mühlegartenquartier. Im Quartierkern liegt das «Strohhaus» – ein grosses,
aus Strohballen errichtetes Zweifamilienhaus. Nördlich wird das Quartier von zwei bunten Einfamilienhäusern am Eimattbach begrenzt und südlich von der Hauptstrasse, an der zwei weitere unserer Häuser liegen.
Die Grundpfeiler des Mühlegartenquartiers wurden 2008 gelegt, als Veronika und Kaspar mit ihren Kindern eines der Häuschen am Bach bezogen. Die anderen
Häuser und Menschen kamen mit den Jahren dazu. Ende 2010 konnte die neu gegründete landwirtschaftliche Genossenschaft Kirschblüte den angrenzenden, zweieinhalb
Hektar umfassenden Acker erwerben, wo sie seither ihr grosses Selbstversorgungsprojekt realisiert. Auf dem zugehörigen Wohn- und Gewerbeland sollte neben
Ökonomie- und Gewerberäumlichkeiten und weiteren Wohneinheiten ein Gemeinschaftszentrum mit grosser Küche, gemeinschaftlichem Essraum und grosszügigem
Jugendraum entstehen. Da dieses Projekt nicht in seiner ursprünglichen Form realisiert werden konnte, fand das Gemeinschaftszentrum nach einigen
Jahren des Wartens im ehemaligen Gasthof Rössli seinen Platz. Dieser grenzt an das Mühlegartenquartier an und liegt damit nur wenige Meter neben
der ursprünglich geplanten Gemeinschaftszone – eine dieser glücklichen Schicksalsfügungen also, die wir immer wieder erleben dürfen.
Im Mühlegartenquartier haben sich kreative und tatkräftige Leute angesiedelt; Handwerker, Musiker und viele Menschen, die sich um andere kümmern – in Schulen,
sozialtherapeutischen Einrichtungen und Geburtshäusern. Wir schneidern, schreiben, schreinern, fotografieren und malen. Der Kirschblütenchor probt
hier seine Stücke und manchmal erklingen noch spätabends Kompositionen auf dem Flügel. Und das Feld prägt unser Quartiersleben sehr: Als Bauer und Landschaftsarchitekt hat Marco die
landwirtschaftliche Leitung des Mühlegartens inne und Jutta hat das Kriminalhauptkomissariat mit dem Hühnerstall ausgetauscht. Wir kochen und machen ein, Alt und Jung treffen sich auf
dem Feld, essen zusammen, bekommen mit, was den anderen bewegt, sorgt und freut. Kreischende Kinder, Hundegebell und (aus dem Takt geratenes) Hahnekrächzen tragen zu einer lebendigen,
heimatlichen Stimmung bei. Eigenartigerweise wohnen alle drei Down-Syndrom-Kinder der Gemeinschaft im Mühlegarten. Und hier leben auch die Eltern derjenigen Kinder, die nach nur kurzem
Verweilen auf dieser Welt zu früh gestorben sind. So wechseln sich in unserem Zusammenleben tiefschürfende Themen ab mit einfachem Austausch im Alltag.
Der Gemeinschaftshof «Rössli»
Im denkmalgeschützten,
ehemaligen Gasthof Rössli, der im Kern des Nennigkofer Dorfteils und direkt neben dem gemeinschaftlichen Landwirtschaftsacker Mühlegarten liegt, wächst
seit 2016 das bislang jüngste und kleinste Gemeinschaftsquartier. Neben der Gemeinschaftsküche und den Gemeinschaftsräumen, den Kühl- und Ökonomieräumen
für die Landwirtschaft und dem Dorfladen in den unteren Geschossen, befinden sich in den oberen Stockwerken des Rössli drei Wohnungen. Hier leben vor
allem junge Menschen der zweiten Kirschblütengeneration in Familien-WGs zusammen. Ein Teil von uns ist in der Gemeinschaft aufgewachsen und hat sich
entschieden, sich hier auch als Erwachsene niederzulassen. Andere sind über Freundschaften und Beziehungen hergekommen und haben hier einen Ort gefunden,
an dem sie sich ganz einlassen und um ein blühendes Zusammenleben kümmern wollen.
Wir sind engagierte, arbeitsame Menschen, gestalten und pflegen Garten und Haus
und sind neben unseren Ausbildungen und beruflichen Tätigkeiten
in verschiedenen Ecken der Schweiz in zahlreiche Gemeinschaftsaktivitäten und -projekte –
von denen wir viele selber (mit)initiieren – eingebunden.
Wir fühlen uns zum gesamten Gemeinschaftsfeld zugehörig und gestalten dieses aktiv mit, sind zudem
aber auch stark in unserem Kreis der jüngeren Generation verankert. Durch diese quartiersübergreifende Verbundenheit aller, die sich zur «zweiten»
Kirschblütengeneration zählen, finden im Rössli keine eigentlichen Quartierstreffen statt, sondern regelmässige Zusammenkünfte in unterschiedlichen
Konstellationen und Settings. Dabei geht es uns um Austausch, Zusammensein und gemeinsames Forschen in den grossen Lebensfragen. Auch ist das Rössli
ein Magnet für die (noch einmal etwas jüngere) Gemeinschaftsjugend, die die ehemalige Curlinghalle und den grosszügigen Umschwung mit Terrasse, gedeckten
Sitzplätzen und einem 900 Quadratmeter grossen, 2019 von der Gemeinschaft neu angelegten, Garten gerne als Treffpunkt nutzt. Das Rössli ist also ein dynamisches
Gemeinschaftszentrum bestehend aus privaten und gemeinschaftlichen Bereichen, die ineinanderfliessend eine energetische Einheit bilden.